Kürzlich haben mein Freund Jan Dreher und ich einen PsychCast zum Thema Hypochondrie – eine ernste Erkrankung aufgenommen, in dem wir über verschiedene Theorien zum Krankheitshintergrund sprachen.
Der im Jahr 2015 verstorbene, in der „Psycho-Szene“ sehr bekannte Psychiater und Psychoanalytiker Stavros Mentzos veröffentlichte in einem seiner jüngsten Werke („Lehrbuch der Psychodynamik“) einige weitere, sehr griffige Theorien dazu.
Den „hypochondrischen Modus“ z. B. beschreibt er als eine mögliche Form der Angstabwehr, die zwar wieder in Angst mündet, aber als Projektion auf einen anderen Schauplatz als den eigentlichen, nämlich den Körper. Hier kann sie nun scheinbar durch Arztbesuche oder verschiedene Untersuchen und Ausschlussdiagnostik gebändigt werden, was erfahrungsgemäß jedoch nicht gelingt. Denn die Symptomatik ist wie immer bei den Neurosen nur ein (fauler) Kompromiss.
Am besten bewährt habe sich aus Mentzos Sicht
(die Hypochondrie als) Annahme einer Projektion des Negativen, des Bösen in der Körper, also im somatischen Projektionsfeld (…). Hier wird also der Körper als ein ambivalentes Objekt empfunden, in den man den bösen eigenen Anteil projiziert.
Mein PsychCast-Mitherausgeber Jan fragt an solchen Stellen gerne, wie die Relevanz für den klinischen Alltag und die Behandlung aussehe, was ich sehr richtig finde. Bei Theorien wie diesen, die noch keinen therapeutischen Ansatz beinhalten, würde ich antworten, dass es mit ihrer Hilfe möglich wird, von der bewussten und zwischenmenschlichen Kommunikation, nämlich der wiederholten sorgenvollen Symptomschilderung einmal wegzukommen und weiter zu denken. Das vordergründig Vorgebrachte führt bei der Hypochondrie nämlich häufig zum Rückzug der hilflosen Ärzte. Führt man stattdessen behutsam ein Gespräch mit dem Fokus auf mögliche negative oder aggressive innere Anteile, die isoliert werden und sich im hypochondrischen Symptom wiederfinden, kann eine solche Wendung fruchtbare Erkenntnisse erbringen.
Literatur: Mentzos S. Lehrbuch der Psychodynamik. 7. Aufl., Vandenhoeck & Rupprecht, Göttingen 2015.
Ich glaube, dass solche Theorien auch für Patient_innen wichtig sein können. Ich empfinde es sehr hilfreich, Erklärungsmodelle zu haben – ganz unabhängig davon, ob es jetzt wirklich so ist oder ob das unmittelbar in eine spezifische Therapie mündet. Aber allein ein „Narrativ“ zu haben, warum die Dinge vielleicht gerade so sind, wie sie sind, bedeutet für mich, dass ich mich mit meinem Zustand anders auseinandersetzen kann.
Vielen Dank, das finde ich sehr interessant. Das ist auch Menschen oft anzumerken, dass – wenn die Theorie denn passend erscheint – eine erste Linderung eintritt, in Sinne von: das ist eine neue Sicht – so kann man sich die Sache mal genauer angucken. Es kann Mut machen, aus dem bisherigen Kreislauf auszusteigen.
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