Freud ist wie durch eine Drehtür mal wieder da. Die Hirnforschung gewährt ihm Zutritt und sieht seine Konzepte in herausragender Position für die Zukunft der Psychotherapie und Neurowissenschaften.
„Die Wahrheit liegt unter der Oberfläche“: So könnte man die Erkenntnis, die wir ihm verdanken zusammenfassen.
Zweifellos hat Freud die Vorstellung, die wir von der Psyche haben in den vergangenen 120 Jahren geprägt. Natürlich konnte er nicht alles wissen, was wir heute darüber wissen. Mich fasziniert es aber, wenn der sicher weltbekannteste Hirnforscher Eric Kandel sein Werk „The Age of Insight“ herausbringt („Das Zeitalter der Erkenntnis“ auf Deutsch) und die wichtigsten Theorien vom Nervenarzt Sigmund Freud aus neurophysiologischer Sicht als hochrelevant beschreibt – und dies gut begründet.
Er bezieht sich vor allem auf neurowissenschaftliche Untersuchungen und knüpft sehr an den Hirnforscher Mark Solms an, der z. B. Freuds Strukturmodell der Psyche von 1933 in eine moderne, zeitgemäße Form mit physiologischer Korrelaten geführt hat (S. 435 in Kandels Buch), was in spannenden anatomischen Grafiken dargestellt wird.
Das ganze Werk von Kandel ist – soweit ich mich bisher damit beschäftigt habe – hochinspirierend. Es geht darin um die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn und erzählt Stränge von der Wiener Moderne bis heute nach. Die Erkenntnis, die Freud und seine Kollegen hatten, dass die Wahrheit oft unter der Oberfläche liegt, prägt unser Denken bis heute sehr stark. Daraus sei eine Revolution sowohl in der Medizin als auch in der Kunst und Literatur entstanden, die das Verständnis für menschliche Seele und die Wahrnehmung für immer verändern sollte, so Kandel.
In Form eines Schaubildes habe ich (anhand Kandels Buch; größtenteils wörtlich) versucht, grob zusammenzufassen, in welchen Punkten die Psychoanalytischen Ideen, so wie Freud sie damals in Umlauf brachte, mit den neuesten Erkenntnissen der Neurowissenschaft zusammenpassen. Ich finde Freud-Bashing ja sowieso langweilig, aber zunehmend wird deutlich, wie falsch es auch aus Sicht der Evidenz ist.
Hier ist das Buch von Eric Kandel:
Auch der deutsche Hirnforscher Gerhard Roth berichtet (in seinem Buch „Wie das Gehirn die Seele macht“), wie überzeugend die Wirksamkeit von Psychotherapie auf das Gehirn belegbar ist.
Was denkt Ihr darüber, warum verbreitet sich dieses Wissen so zögerlich? Haltet Ihr es für falsch? Oder sind diese Erkenntnisse politisch nicht gewünscht, weil es dann teuer wird – und einfachere Theorien von der Psyche und schnellere Therapien um sich greifen sollen? Schreibt mir gerne in die Kommentare.
Zum online Weiterlesen: „Freud is Everywhere“ auf Psychology Today