In dem neuen Kinofilm „Nicht alles schlucken“ wird dokumentiert, wie verschiedene Menschen in einer Gruppe zusammensitzen und über ihr Erleben, ihre Erfahrungen mit der Psychiatrie berichten. Darüber, was es bedeutet, seelisch krank zu sein und was für ein Behandlungssystem sie vorfinden.
Keine Sprecherstimme aus dem Off, keine Einblendungen von Namen und Funktion, keine Musik. Nichts und niemand, der oder das einem hier suggerieren kann, wo die Wahrheit wohnt. Die Menschen, die im Film vorkommen, auf der Premiere „Protagonisten“ genannt, sind Patienten, Angehörige, Pflegekräfte, Sozialarbeiter, Ärzte… der Zuschauer kann sie teilweise kaum voneinander unterscheiden. Ein Wochenende hätten die Dreharbeiten in einem schlichten Raum an der Berliner Charité gedauert sowie viele Tage an Einzelinterviews. Jeder habe soviel berichten dürfen, wie er gewollt habe, berichtet einer der Teilnehmer.
Entstanden ist ein für unseren schnelllebigen Zeitgeist außergewöhnliches Dokument, das es dem Zuschauer nicht abnimmt, aufkommende Gefühle und Fragen auszuhalten. Ein Film, der nicht abrunden oder erklären will, der dem Empfänger keinen roten Faden in typischer Doku-Manier anbietet, bei dem man nur anbeißen muss. Die Gruppe, die im klassischen Stuhlkreis zusammensitzt, ist wie sie ist. Im Sinne der Mehrstimmigkeit von Gruppen blitzen zu jeder Zeit Wirklichkeiten auf, die – ganz medienuntypisch – nicht zu hinterfragen sind, da sie eben wahr sind, für denjenigen der sie mit großem Mut und spürbaren Gefühlen von Verzweiflung, Trauer oder Hoffnung vorträgt.
Die Filmemacher heißen Piet Stolz, Psychiater und Psychoanalytiker und Jana Kalms, Fernsehautorin und Regisseurin, die auch bereits für einen Film über Psychosen namens Raum 4070 zusammenarbeiteten. Psychiater Stolz war gerührt auf der Premiere am Donnerstag, den 28.05.2015 im Berliner Kino Babylon: Aufklärung – auch über Mißstände in der Psychiatrie – scheinen ihm ein ernstes Anliegen zu sein. Er erklärte nach dem Film: „Zu viel Medikamente sind Murks, sie knallen auf’s Gehirn, nicht auf die Seele, die machen sie tot“. Die gängigen Behandlungsmethoden der Psychiatrie seien ein „Irrweg seit 200 Jahren“.
Dann bezieht sich Piet Stolz auf einige Stellen im Film, in denen deutlich wird: Je mehr gute Beziehung zwischen Behandlern und Patienten besteht, desto weniger Medikamente seien notwendig.
Man könnte sagen, gute Beziehungen waren das, was sich alle Protagonisten im Film wünschten. Es gab aber sicher noch viel mehr, was die Gruppe und jeder Einzelne an Hoffnungen und Ängsten hegt. Durch die Machart des Filmes bleibt das Medium sehr im Hintergrund, das Menschliche aber tritt von der Leinwand hervor. Dem Zuschauer wird klar, dass hier jeder auf beiden Seiten der Leinwand sitzen könnte. Kein Platz für eine Filmkritik.