Podcasting ist derzeit ein riesen Trend. Zusammengesetzt ist es aus den Worten „Pod“, abgeleitet von apples iPod und „Cast“, zurückzuführen auf das englische Broadcasting, also Rundfunk. Es handelt sich um eine Art persönliche Radiosendung, die jeder als abonnierbare MP3-Dateien über das Internet verbreiten oder empfangen kann. Aufgrund seiner gezielten Ausstrahlung nur an Interessenten (und nicht an jeden, wie im Radio) können auch wunderbar Nischenthemen abgedeckt werden.

Folgender Artikel soll Ihnen helfen zu entscheiden, ob das Thema Podcasting für Sie, Ihre Praxis oder Abteilung bzw. Ihre Forschungsvorhaben interessant ist. (Der Text kann auch für Fachkreise weiterer Berufe im Gesundheitswesen relevant sein.)

Weshalb sind Podcasts beliebt?

Das klassiche Radio versucht zu vermeiden, dass Hörerinnen und Hörer abschalten. Das funktioniert am besten über Musik, denn meistens ist für jeden etwas dabei. Gesprochenes Wort polarisiert deutlich mehr, was sich viele Radiostationen nicht antun wollen. Für an speziellen Themen interessierte Menschen kommen also Podcasts als alternatives Radio-on-demand wie gerufen. Allein auf iTunes sind derzeit über 250.000 Produktionen gelistet. Das ganze ist kostenlos und bequem: man kann sie am PC oder direkt auf das Smartphone herunterladen und im Zug oder beim Spazienrengehen hören, auch wenn man offline ist. Inzwischen hat Apple auf jedem ausgelieferten iPhone die Podcast-App bereits vorinstalliert, was die Reichweite für Podcast-Macher erhöht.

Was macht Podcasting so besonders?

In einer immer komplexer werdenden Medizin sind Audiodateien, von Ihnen – z. B. als Arzt in der Praxis oder als Forschungs- oder Abteilungsarzt selber produziert, eine Möglichkeit, Ihren Botschaften genügend Raum zu geben. Es ist nicht nötig, sich an übliche Artikellängen zu halten und Konventionen, was Aufbau und Reduktion angeht, einzuhalten. Sie sind frei, was die Länge einzelner Folgen angeht und in der Verwendung verschiedener Formate: Vielleicht lässt sich eine neue Untersuchungstechnik in Ihrem Labor gut als Interview darstellen, in dem verschiedene beteiligte Mirarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre „Experteneinschätzung“ dazu abgeben. Oder Sie berichten direkt nach der Mitgliederversammlung Ihres Berufsverbandes, was es an neuen Entwicklungen Ihrer Fachgruppe gibt.

Trotz der Begrenzung Ihrer Zielgruppe auf Ihre Kundschaft, Ihre Berufskolleginnen und Kollegen oder Ihre Patientientinnen und Patienten, wird sich schnell eine Hörerschaft finden, die eben genau an Ihren Themen sehr interessiert ist – und somit auch aus treuen und interaktiven Followern bestehen wird.

Zudem ist ein Podcast ein sehr persönliches Medium. Da die meisten Podcasts über Handy und Ohrstöpsel hören, findet das ganze direkt im Ohr der Hörerin oder des Hörers statt. Je nach Interesse verbringen Sender und Empfänger eine ganze Menge Zeit miteinander und die Podcasterin oder der Podcaster zeigt viel mehr von seiner Persönlichkeit als bei einem Text-Angebot. Patientinnen und Patienten wissen sehr zu schätzen, gelegentlich locker vorgetragene, medizinische Alltags-Tipps von Ihnen zu erhalten. Beispiele können sein: monatliche Tipps für das Management eines Diabetes, Aufklärung über typische Medizin-Mythen („Antibiotika gegen Grippe“) oder Erläuterungen zu neuen OP-Techniken. Einiges kann hier sicher besser, direkter und persönlicher an die Zielgruppe vermittelt werden, als wenn es über den herkömmlichen „Medizinjournalismus“ läuft, der seit Jahr und Tag bemüht ist, die Definitionshoheit über Krankheit und Gesundheit zu übernehmen (vgl. Edward Shorter).

Sie wollen lieber erstmal zuhören?

Kein Problem, denn es gibt eine bombastische Auswahl an deutsch- und englischsprachigen Medizinpodcasts. Am besten sucht man bei iTunes in der Rubrik „Wissenschaft & Medizin > Medizin“. Man findet nur zum Beispiel: „Listen to The Lancet“, „Nature Medicine Podcast“, NEJM This Week“, „Braincast – auf der Frequenz zwischen Geist und Gehirn“, „Ask an Eye Doc“, „The Dr. Drew Podcast“ eines amerikanischen Internisten und Suchtmediziners und den „PsychCast“ als Psychiatrie- und Psychosomatik-Podcast, den ich seit ca. zwei Jahren zusammen mit meinem Freund Dr. Jan Dreher betreibe. Eine Medizin-Uni, die bereits podcastet ist z. B. die Medizinische Hochschule Hannover.
Leider sieht man auch, dass unheimlich viele medizinische Themen von nicht-medizinischem Personal bespielt werden, sodass Hörer auch nicht selten falschen oder manipulativen Informationen ausgesetzt sind, die am Ende eine Kaufentscheidung befördern sollen.
Internet-Kenner und Blogger Sascha Lobo ist sich sicher, dass die Ärzteschaft derzeit eine Riesenchance auf die Teilnahme an der Realitätserzeugung im Netz verpasse: Die Ärzteschaft als Ganzes müsse sich darüber klar werden, dass sie Teil eines digitalen Lebensstiles würde (vgl. Ärzte Zeitung).

Was braucht man zum Starten?

Sollten Sie sich entscheiden, dem aktiven Podcasting eine Chance zu geben, brauchen Sie nicht viel: eine gute Idee, ein paar Themen für die ersten Shows, ein USB-Mikrofon oder ein mobiler Audiorecorder z. B. vom Marktführer ZOOM reichen aus, um bereits hochwertige Audioaufnahmen zu erstellen. Ein wenig zurechtschneiden lässt sich das ganze einfach mit der Freeware Audacity. Je nach Technikaffinität gibt es dann verschiedene Möglichkeiten, das Ergebnis in die Welt zu senden: Soundcloud (das „Youtube der Audiodateien“), eine WordPress-Installation auf dem eigenen Webspace mit dem Podlove-Plugin oder der Podcast-Anbieter Libsyn sorgen für die Verfügbarkeit auf jedem Fleck der Erde. Hier ist ganz klar zu sagen: Ja, Lust auf ein technisches Projekt sollte vorhanden sein, sonst kann das alles ganz schön frickelig werden. Natürlich gibt es auch einige Alternativen zum Podcasting: Videos auf Youtube verbreiten, was sicher noch deutlich zeitaufwändiger und technisch anspruchsvoller ist. Zudem kann man über das klassische Bloggen seine Zielgruppe erreichen, dafür kann man mit nur wenigen Klicks einen Blog auf DocCheck.com anlegen.

Kann ich mit Medizin-Podcasts Geld verdienen?

Ja und nein. Ein seriöser Podcast ist zunächst mal ein Geschenk an alle, die das Thema interessiert. Ihren Einsatz direkt zu Geld zu machen ist schwierig (aber prinzipiell über Werbung möglich). Ich würde jedoch vom Podcasten abraten, wenn dies das Ziel sein sollte. Denn was man als Podcaster – abgesehen von Geld – zurückbekommt ist unbezahlbar: Kontakt zu unheimlich vielen Menschen, die bestimmte Dinge gleich oder anders sehen, Ihnen aber aufmerksam zuhören und vielleicht gerne einmal in Ihrem Podcast zu Gast wären. Dies wiederum bietet neuen Mehrwert für Ihre Hörer und Sie. Zudem können Sie Ihr fundiertes Wissen zu bestimmten Themen der Medizin vermitteln, also lehren und aufklären – ein tief verwurzeltes Anliegen vieler Ärztinnen und Ärzte.

Und klar, natürlich ist ein Podcast für die Praxis oder Klinik auch PR und zwar auf einem überaus transparentem Weg: Sie verschenken ehrliche Einblicke und „persönliche Mitteilungen“ an Interessierte und Patientinnen und Patienten. Diese können sich schon ein Bild von Ihnen und Ihrer Arbeitsweise machen, bekommen schon aktuelle medizinische Informationen und entscheiden dann, ob Sie die oder der richtige Ansprechpartner/in für sie sein könnten.
Außerdem kann es Zeit sparen, immer die gleichen Dinge in der Sprechstunde in aller Ausführlichkeit zu wiederholen: die oder der junge, sowieso online lebende Patientin oder Patient kann doch mit einem Fingerwisch alle Infos zu den aktuellen Impfempfehlungen auf dem Smartphone anhören – von Ihnen persönlich zusammengefasst!

Übrigens: Ich bin ein absoluter Gegner davon, den persönlichen und auf Vertrauen basierenden Kontakt zu unseren Patientinnen und Patienten durch leblose online-Angebote (für alles gibt’s ’ne App) zu ersetzen und die Medizin undifferenziert zu einer reinen Dienstleistung werden zu lassen. Aber im Podcasting sehe ich die Chance, die gute alte Medizin der persönlichen Ansprache und die „Droge Arzt“ auch ein wenig ins digitale Zeitalter zu transferieren.

3 kurze Tipps zum Start

Wenn Sie ein gutes Handy wie ein iPhone haben, können Sie versuchen, damit erste Aufnahmen zu erstellen. Die Qualität ist inzwischen recht gut.

Engagieren Sie lieber keine professionelle Firma, die Ihnen einen Podcast produziert. Wenn die persönliche Note wegfällt, kann das Ganze für die Hörer schnell uninteressant werden.

Bedenken Sie auch folgenden Vorteil: als Podcaster ist man noch Aufmerksamer auf Fortbildungen und interessierter an kniffeligen Fällen – überall lauert das Thema für die kommende Podcast-Ausgabe!

 

Dieser Artikel ist auch auf DocCheck.com erschienen.

Foto: Kugelstadt

8 Comments Sprech-Stunde: Warum Mediziner unbedingt podcasten sollten

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