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PsychCast Folge 43: Die Kollusion von Arzt und Patient bei psychosomatischen Beschwerden

Psychosomatische Beschwerden: Warum Patienten zu Praxis-Hoppern werden und Ärzte manchmal daran verzweifeln, können Erkenntnisse aus der Paartherapie erklären.

 

Im dreiundvierzigsten PsychCast sprechen wir über die Paar-Kollusion, wie sie der vielleicht weltbeste Paartherapeut Jürg Willi beschrieben hat. Dieses Konzept hat nichts mit der Kollision (mit i statt u) im Straßenverkehr zu tun!

Es geht dabei um problematische Rollenverteilungen in Beziehungen, die unbewusst erfolgen und die mit den jeweiligen Prägungen und Vorerfahrungen der Beteiligten zu tun haben.

Die Theorie besagt, dass sich bereits vor der Beziehung bestehende Persönlichkeitsmerkmale im Laufe einer Partnerschaft häufig zu einer festen Rollenverteilung verhärten und eine solche Konstellation mit der Zeit völlig starr werden kann: Der starke Part wird immer stärker, der Schwache und Anlehnungsbedürftige immer passiver und hilfloser. So ergänzen sich zunächst einmal ein Bewunderter und ein Bewunderer, ein Hilfloser und ein Helfer oder ein Mächtiger und ein Ohnmächtiger. Willi sagt weiter, dass man in dem anderen immer auch einen abgespaltenen Teil seiner Selbst sucht.

Diese verteilten Rollen führen dann jedoch dazu, dass eben jener Teil der eigenen Persönlichkeit immer weniger wahrgenommen und zunehmend verleugnet wird. Das führt über kurz oder lang zu Unzufriedenheit beider Beziehungspartner.

Die psychosomatische Arzt-Patient-Kollusion

In der Podcast-Folge sprechen wir auch darüber, wie Jürg Willi diese Erkenntnisse auf die Arzt-Patient-Beziehung bezieht, insbesondere beim Vorliegen psychosomatischer Beschwerden, er nennt dies „die psychosomatische Arzt-Patient-Kollusion“:

Durch die psychosomatische Symptombildung normalisiert sich häufig das Sozialverhalten betroffener Patienten, beschreibt der Autor. Dies passiert, da es durch die Symptome plötzlich besser gelingt, andere Menschen an sich zu binden und unbewusst dafür zu sorgen, gesehen und in einer Notsituation wahrgenommen zu werden. Da die Krankheit im Vordergrund steht, treten die zwischenmenschlichen Schwierigkeiten erst einmal in den Hintergrund – das entlastet! In ihren offensichtlichen Interessen und Phantasien sind die Patienten somatisch fixiert und können alles Mögliche über ihre Körpervorgänge beschreiben, was sie zunächst zu einem idealen Patienten mache. Sie sind autoritätsgläubig und unterziehen sich bereitwillig vielerlei Untersuchungen. Sie idealisieren und mystifizieren sie den Arzt.

Selber blieben sie jedoch passiv und neigten dazu, die Verantwortung an den mächtig erlebten Mediziner zu delegieren. Dieser genieße seine starke Rolle und sehe davon ab, auf die psychische Seite, die bei psychosomatischen Beschwerden natürlich eine große Rolle spielt, einzugehen. Er nimmt so das Rollenangebot des „Halbgotts in Weiß“ seines Patienten an, beide verleugnen zusammen die Bedeutung der seelischen Seite der gesamten Symptomatik.

Wie kann es also weitergehen?

Weitergehen kann es auf zweierlei Weisen: der Arzt entdeckt einen Bagatell-Befund und hat einen Grund ein „unnötiges“ Medikament zu verordnen oder eine OP zu veranlassen – dann wird die gemeinsame Abwehr fortgesetzt, die Kollusion besteht fort. Oder der Arzt beginnt den Patienten zur Mitarbeit aufzufordern: „Sie müssen aktiv werden, wenn Sie gesünder sein möchten“ und der Patient ist enttäuscht von seinem Ideal-Arzt, fühlt sich gekränkt und wendet sich an den nächsten Super-Doc.

Zusammengefasst ist die volle Ausprägung einer psychosomatischen Arzt-Patient-Kollusion bei unerkannten seelischen Ursachen:

Hört doch mal rein, zur Podcast-Folge geht es hier entlang. Oder direkt hier anhören:

Hier kann man sich das Buch näher ansehen, über das wir sprechen: Jürg Willi – Die Zweierbeziehung: Das unbewusste Zusammenspiel von Partnern als Kollusion

Dank unserer Hörerin S. noch der Hinweis: das Zitat “Der Mensch wird am Du zum Ich” ist nicht von Jürg Willi sondern von Martin Buber. Jürg Willi hat es im Jahr 2012 in einem Interview zu seinem Lieblingszitat erklärt – Link dahin folgt noch. Das wurde in der Sendung falsch rübergebracht und soll hiermit korrigiert werden.

Beitragsbild: Stephanie Hofschlaeger  / pixelio.de