Posts by "Dr. Alexander Kugelstadt"

Du bist eingeladen – lerne meine neue Abteilung für Psychosomatik in Berlin kennen – 17.06.2022, 16.00 Uhr

Auf meinem Blog psychosomatikum ist es ruhig geworden in den letzten Monaten, und sogar Jahren. Aber das soll nicht so bleiben, es wird hier auch wieder lebhafter. Gemeinsam mit dem Zentrum für ambulante Rehabilitation (ZAR) Berlin-Spandau habe ich seit dem vergangenen Sommer eine neue ambulante psychosomatische Reha im Tagesklinik-Modus aufgebaut. Das hat Zeit und Energie in Anspruch genommen, und der Blog musste deshalb deutlich kürzer treten, zuletzt sogar auch der Podcast PsychCast.

Wenn Du in Berlin bist, möchte ich Dir aber nun den Stand der Dinge zeigen, und Dich für Freitag, den 17.06.2022 um 16.00 Uhr ins ZAR Spandau, Neuendorfer Str. 25, 13585 Berlin, ganz herzlich einladen!

Meine Kollegin Frau Dr. Rosenhöfer, Chefärztin der Orthopädie und mein Kollege Herr Dr. Bader, Chefarzt der Orthopädie, stellen unser Spandauer Zentrum (ehemals Centrovital) vor. Frau Sarah Friedrich berichtet über einen möglichst unkomplizierten Zugang zu einer psychosomatischen, ambulanten Rehabilitation und ich stelle unser Behandlungskonzept vor, und Ihr könnt Euch bei Getränken und Snacks mit Euren Fragen an unser gesamtes Team wenden. Ihr werdet danach den Begriff Gruppenmatrix kennen und wissen, was eine biperspektivische Simultandiagnostik und Simultantherapie ist.

Eine Hausführung rundet Euren Freitagnachmittag ab.

Wenn Ihr dabei sein wollt, meldet Euch gerne über diese Seite kurz an, oder über das ZAR. Oder kommt einfach spontan. Ich würde mich sehr freuen!

Danke! Mein Buch ist die zweite Woche SPIEGEL-Bestseller!

Für Euer großes Interesse an der Psychosomatik und an meinem Buch möchte ich mich sehr herzlich bedanken.

Die aktuelle SPIEGEL-Bestseller-Liste findet Ihr hier.

Aktuelle Medien-Berichterstattung zu meinem neuen Buch könnte Ihr Euch hier ansehen.

Wenn Ihr mein Buch noch bestellen möchtet, hier entlang, zum wunderbaren mosaik Verlag! Wie mein Buch genau entstanden ist, habe ich in Jans und meinem Podcast PsychCast Nr. 110 erzählt.

Bald mehr!

Wonderful! Mein Buch „Dann ist das wohl psychosomatisch!“ ist erschienen

Es ist ruhig geworden hier auf dem Blog. Schreibfaulheit war nicht der Grund. Der Blog lag etwas auf Eis, weil ich schwanger war mit meinem neuen Psychosomatik-Sachbuch

„Dann ist das wohl psychosomatisch!“
Wenn Körper und Seele SOS senden und die Ärzte einfach nichts finden – Alles zur Psychosomatischen Medizin.

Und heute ist es geboren (Mosaik, 400 Seiten, 16,- €) und liegt ab sofort in jeder guten Buchhandlung, oder Ihr bestellt es einfach hier, beim Versender Eurer Wahl.

Warum?

Es wird Euch gefallen. Ich habe mit viel Herzblut, angemessener Ernsthaftigkeit und viel Leichtigkeit ein Buch geschrieben, das da anfängt, wo die meisten Informationen zur Psychosomatik enden. Hinter den Kulissen von Sätzen wie „Sie haben nichts“, „das ist wohl alles psychisch“ oder „Sie sind gesund, alles bestens“.

Dass viele Symptome und Erkrankungen psychosomatisch bedingt sind, ist bekannt. Doch verzweifeln viele, wenn Ihnen keine Auswege gezeigt werden und nicht verständlich ist, wie Psyche und Körper so eng zusammenarbeiten sollen. Hier setzt mein Buch an. Es hat vier Akte und vermittelt die aktuellen medizinischen Fakten zur Köper-Seele-Connection, erklärt praktisch von Kopf bis Fuß wie und wo welche psychosomatischen Reaktionen entstehen, motiviert im „Do-it-yourself“-Teil, den eigenen Einfluss auf eine gute Gesundheit auszuschöpfen und zeigt schließlich, wie eine professionelle psychosomatische Therapie abläuft.

Mein Ziel ist, dass keiner Angst vor psychosomatischen Symptomen und Erkrankungen mehr haben muss. Es war für mich beim Schreiben wichtig, dass alle Inhalte gut verständlich und nachvollziehbar sind – auch ohne Lateinlexikon nebenher. Wie mein Buch entstanden ist, kannst Du hier im PsychCast erfahren.

Ich würde mich sehr freuen, von Euch zu erfahren, wie Euch das Buch gefällt. Hier ist es:

Ein Interview zur Psychosomatik und zum Buch mit mir findest Du hier, bei Brigitte online. Das Beitragsfoto zeigt meine spontane Freude, das erste Exemplar in meinen Händen zu halten.

Psychotherapeutische Interventionen bei schwer beeinträchtigten Patienten (Schaubild)

Für die Behandlung schwerer psychischer Störungen hat sich die Modifikation der klassischen psychodynamischen Psychotherapie mit Ausarbeitung eines „Strukturkonzeptes“ und einer „Strukturbezogenen Psychotherapie“ etabliert. Davon profitieren z. B. Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Abhängigkeitserkrankungen und Selbstschädigungstendenzen.

Ein Beispiel für einen Patienten mit gering integrierten Ich-Funktion („geringer integriertes Strukturniveau“) ist z. B. jemand, dessen mentale Vorstellungen von sich Selbst und der Anderen wenig differenziert, teils unrealistisch und schwarz-weiß polarisiert ist. Die Beziehungserwartungen sind oft überhöht, der Patient wird schnell impulsiv und feindselig mit dem Risiko von Beziehungsabbrüchen, auch in der Therapie.
Im Rahmen einer Strukturbezogenen Behandlung wären diese Muster dem Patienten zu verdeutlichen und nach Möglichkeiten zu suchen, sie zu verändern und neu einzuüben. Wichtig ist, dass Therapieziel realistisch zu begrenzen und den Patienten mit der Problematik anzunehmen, ohne „konfliktdynamisch“ zu interpretieren. Vielmehr sollen gemeinsam neue Alternativen gesucht werden, um weiteren Schaden vom Betroffenen abzuwenden.

In diesem Schaubild habe ich die dazu gängigen therapeutischen Interventionen zusammengefügt, wobei mir Gerd Rudolf als Quelle gedient hat, erweitert um Aspekte von Wöller/Kruse und eigene Punkte. Was haltet Ihr von der Strukturbezogenen Psychotherapie? Welche Interventionen fehlen? Seht Ihr große Ähnlichkeit zur Verhaltenstherapie? (Klick aufs Bild vergrößert)
Quellen
1. Gerd Rudolf: Strukturbezogene Psychotherapie. Stuttgart, Schattauer 2006
2. Wolfgang Wöller, Johannes Kruse: Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Stuttgart, Schattauer 2010
3. Homepage von Prof. Dr. med. Gerd Rudolf 

Diese Theorien Freuds kann die Neurowissenschaft heute bestätigen

Freud ist wie durch eine Drehtür mal wieder da. Die Hirnforschung gewährt ihm Zutritt und sieht seine Konzepte in herausragender Position für die Zukunft der Psychotherapie und Neurowissenschaften.

„Die Wahrheit liegt unter der Oberfläche“: So könnte man die Erkenntnis, die wir ihm verdanken zusammenfassen.

Zweifellos hat Freud die Vorstellung, die wir von der Psyche haben in den vergangenen 120 Jahren geprägt. Natürlich konnte er nicht alles wissen, was wir heute darüber wissen. Mich fasziniert es aber, wenn der sicher weltbekannteste Hirnforscher Eric Kandel sein Werk „The Age of Insight“ herausbringt („Das Zeitalter der Erkenntnis“ auf Deutsch) und die wichtigsten Theorien vom Nervenarzt Sigmund Freud aus neurophysiologischer Sicht als hochrelevant beschreibt – und dies gut begründet.

Er bezieht sich vor allem auf neurowissenschaftliche Untersuchungen und knüpft sehr an den Hirnforscher Mark Solms an, der z. B. Freuds Strukturmodell der Psyche von 1933 in eine moderne, zeitgemäße Form mit physiologischer Korrelaten geführt hat (S. 435 in Kandels Buch), was in spannenden anatomischen Grafiken dargestellt wird.

Das ganze Werk von Kandel ist – soweit ich mich bisher damit beschäftigt habe – hochinspirierend. Es geht darin um die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn und erzählt Stränge von der Wiener Moderne bis heute nach. Die Erkenntnis, die Freud und seine Kollegen hatten, dass die Wahrheit oft unter der Oberfläche liegt, prägt unser Denken bis heute sehr stark. Daraus sei eine Revolution sowohl in der Medizin als auch in der Kunst und Literatur entstanden, die das Verständnis für menschliche Seele und die Wahrnehmung für immer verändern sollte, so Kandel.

In Form eines Schaubildes habe ich (anhand Kandels Buch; größtenteils wörtlich) versucht, grob zusammenzufassen, in welchen Punkten die Psychoanalytischen Ideen, so wie Freud sie damals in Umlauf brachte, mit den neuesten Erkenntnissen der Neurowissenschaft zusammenpassen. Ich finde Freud-Bashing ja sowieso langweilig, aber zunehmend wird deutlich, wie falsch es auch aus Sicht der Evidenz ist.

Hier ist das Buch von Eric Kandel:

Auch der deutsche Hirnforscher Gerhard Roth berichtet (in seinem Buch „Wie das Gehirn die Seele macht“), wie überzeugend die Wirksamkeit von Psychotherapie auf das Gehirn belegbar ist.

Was denkt Ihr darüber, warum verbreitet sich dieses Wissen so zögerlich? Haltet Ihr es für falsch? Oder sind diese Erkenntnisse politisch nicht gewünscht, weil es dann teuer wird – und einfachere Theorien von der Psyche und schnellere Therapien um sich greifen sollen? Schreibt mir gerne in die Kommentare.

Zum online Weiterlesen: „Freud is Everywhere“ auf Psychology Today

Quellen
Eric Kandel: Das Zeitalter der Erkenntnis. München, Pantheon 2018
Mark Solms, Oliver Turnbull: Das Gehirn und die innere Welt: Neurowissenschaft und Psychoanalyse. Mannheim, Walter 2010
Gerhad Roth, Nicole Strüber: Wie das Gehirn die Seele macht. Stuttgart, Klett-Cotta 2014

Podcasting: Der Moment, als plötzlich echte Hörer hereinspazierten

Fast 4 Jahre PsychCast

Seit Anfang 2015 podcaste ich mit meinem Freud Jan Dreher über Themen aus der Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie. Das nennen wir „PsychCast“ als Abkürzung für „Podcast über die Psyche“. Ein Podcast ist so in etwa eine im Internet abrufbare, selbst gekochte Radiosendung. Wir versuchen alle 2-3 Wochen einen Talk zwischen uns beiden oder manchmal mit Gästen aufzunehmen, den man am ehesten als Edutainment (=Education+Entertainment) bezeichnen kann.  Das hat sich jedenfalls als unser Ziel herauskristallisiert und macht uns am meisten Spaß. Von vornherein war es unser Wunsch sowohl interessierte Laien, psychisch Kranke und auch Ärzte und Psychotherapeuten sowie anderes Fachpersonal wie z. B. Ergotherapeuten und Sozialarbeiter zu erreichen. Wir haben also keine feste Zielgruppe. Da wir natürlich Eigenheiten haben, die in einem freien Talk auch sichtbar (oder hörbar) werden und eine eigene Form der Beziehung pflegen, ergibt sich die Zielgruppe eher aus dem persönlichen Geschmack. Manchmal sind wir auch gar nicht sehr gut vorbereitet, sondern sprechen über Schlaf oder Mobbing oder Beziehungen mit dem Hintergrund und Wissen, das wir eben haben – als Ärzte und auch privat. Wie ein Telefonat unter Freunden, jedoch immer mit Interesse für das Psychische und die Gesundheit.

Jan und ich bei einem Treffen des Medizin-Portals DocCheck 2017

Aus einer digitalen wurde eine analoge Gruppe

Da wir inzwischen weit über eine halbe Million Downloads über alle Folgen erreicht haben und wir unheimlich viele nette Mails bekommen, dachten wir es wäre an der Zeit, unsere Hörer mal einzuladen und kennenzulernen. Versprochen hatten wir dies Ende 2017, sofern wir ein paar zahlende Abonnenten bei SteadyHQ bekommen würden, um laufende Kosten (wie Raummiete, Webspace, Mikrofone etc.) besser finanzieren zu können. Wir hatten schließlich am 30.11. abends in Berlin zur Aufzeichnung des PsychCast Nr. 76 eingeladen und schnell über 30 Anmeldungen bekommen. Als Thema hatten wir uns Salutogenese überlegt, ein Konzept zur Entstehung von Gesundheit. Wir wussten nicht, was passieren würde und waren auf alles gefasst. Klar waren uns unsere Hörer aus unzähligen positiven und freundlichen Mails, Kommentaren, iTunes-Bewertungen bekannt. Aber kann man „dem Internet“ glauben? Würde wirklich irgend jemand für den PsychCast bei Regen und Kälte aus dem Haus gehen?

Total hingerissen von unserer sympathischen Hörerschaft

Als ich Jan Ende 2015 zum ersten mal mit seinem an der Stimme hängenden Body gesehen habe, war das schon komisch (und cool). Aber als unsere Hörer zur ersten gemeinsamen Aufzeichnung hereinspazierten und uns wie alte Freunde begrüßten war das wirklich bewegend. Alles, woran ich die letzten 4 Jahre beim podcasten geglaubt hatte, wurde plötzlich Wirklichkeit: Menschen, die zusammenkommen, um sich über das Seelenleben und psychische Gesundheit auszutauschen. Leute, die sich mit guten Absichten verbinden und Infos und Austausch wollen und sich für die innere Welt des Menschen interessieren. Ohne weitere Beschränkungen oder Voraussetzungen, um mitzumachen.
Das Internet war plötzlich nur noch ein Hilfsmittel, denn wir gehörten an diesem Abend gemeinsam in diesen Raum – und zwar offline.

Danach gingen wir einen trinken und keiner wollte nach Hause

Podcasting als manueller Algorithmus?

Dieser Moment, als echte Hörer unseres Podcasts hereinspazierten war noch ganz anders, als ich mir das vorgestellt hatte. Die Bindung zu unseren Hörern war schon da, aber sie wurde erst an diesem Abend so richtig spürbar. Ich fand alle unsere Gäste sehr sympathisch und man hätte glauben können, dass das alles „Matches“ eines komplexen Algorithmus sein müssten. Aber vielleicht ging das beim Podcast so ähnlich, nur mit Handarbeit, manuell: tausende Hörer schalten mal ein, schalten mal ab, hören mal weiter, aber nicht zu weit. Wer wirklich weiter hört und dem das gefällt kommt dann vielleicht zum Hörertreffen. Und ich finde unsere Hörerinnen und Hörer passen so richtig gut zu uns und ich bin dankbar, sie kennengelernt zu haben.

Hier geht es zur Aufzeichnung der Sendung des Hörertreffens.

Depression – ein körperliche Erkrankung?

Am 31. März 2017 ist die Depression laut World Health Organisation (WHO) weltweit der führende Grund für Arbeitsunfähigkeit. Die Depression ist eine systemische Erkrankung, die auf körperlicher, sozialer und psychischer Ebene die Lebensführung der Betroffenen stark beeinträchtigt.

Viele glauben, die Depression sei eine psychologische Problematik, die zwischen den Ohren besteht, aber im Menschen davon eigentlich nichts zu finden ist. Es gibt auch fortwährend Versuche verschiedener Interessenträger, depressive Erkrankungen als ein rein psychologisches Problem zu stigmatisieren. Die psychischen Erkrankungen sollen langfristig innerhalb des etablierten medizinischen Versorgungsnetzwerkes marginalisiert werden und billiger durch andere Versorgungsstrukturen als durch Ärzte „therapiert“ werden.

Warum dies für betroffene Patienten so fatal wäre, wird verständlich, wenn Sie Folgendes über die Depression wissen:

Das Wort der Stunde in der psychoneuroimmunologischen Forschung ist „Allostatic Load“, das Konzept der Allostase. Es beschreibt, dass das Gehirn das größte Stressorgan ist, das wir haben und das entsprechend verschiedener Bedarfslagen des Menschen untergeordnete Systeme „steuert“. Bei Vorliegen einer Depression ist dieser Mechsnismus aus dem Gleichgewicht gekommen und signalisiert dem Organismus eine anhaltende Stressreaktion, die eine Veränderung zentralnervöser Strukturen nach sich zieht, z. B. am Hippocampus (einer Hirnregion, die unter anderem für die Gedächtnisbildung wichtig ist). Nachgewiesene Auslöser einer so genannten allostatischen Last wurde vor allem im Rahmen von sozialen Stressoren wie Ausgrenzung, Herabwürdigung und Beschämung nachgewiesen.

Die „anhaltende Stressreaktion“ durch einen depressiven Affekt führt in der weiteren Folge zu folgenden körperlichen Veränderungen: reduzierte serotonerge Neurotransmission, erhöhte Aktivität von Corticotropin-Releasing-Faktor (CRF), Störungen im Norepinephrin-Kreislauf, Minderaktivität im Dopamin-System, Aktivierung des Immunsystems, Hyperaktivität in der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse, Abweichungen in der Plättchenaktivierung, reduzierte Variabilität in der Herzfrequenz und noch mehr… Bitte sehen Sie mir die Sammlung an Fachwörtern nach – ich möchte damit zeigen: es passiert dabei eine ganze Menge im Körper!

Die Symptome der Depression sind übrigens denen sehr ähnlich, die durch ein überaktiviertes Immunsystem entstehen (auch Cytokine-induced Sickness behavior genannt): Krankheitsgefühl, Lustlosigkeit, erhöhtes Schlafbedürfnis, Appetitmangel, sozialer Rückzug, Konzentrationsmangel, erhöhte Schmerzsensibilität, Schwäche,…

Die Auswirkungen der Depression sind genauso körperlich wie die Folgen der Erkrankungen, die wir direkt als „körperlich“ oder „somatisch“ bezeichnen.

Durch diese Mechanismen ist die Depression z. B. auch ein unabhängiger Risikofaktor für die koronare Herzkrankheit (Verkalkung der Herzkranzarterien) – und zwar genauso so ausgeprägt wie das Tabakrauchen. Also die mögliche Folge einer „verschleppten“ Depression ist ein erhöhtes Risiko für Arterienverkalkung.

Um die medizinische Herausforderung einer Depression nochmals deutlich zu machen:

  • Ein Herzinfarkt in der Vorgeschichte UND eine Depression erhöht das Risiko eines neuen Infarktes binnen 6 Monaten um das 3fache!
  • Anders als beim Bluthochdruck, Diabetes, Asthma etc. kehrt bei der Depression keine Normalisierung des Funktionsniveaus bei Symptombesserung ein.
  • Die Beseitigung der Symptome ist nicht der Endpunkt einer Depressionsbehandlung!
  • Es muss wieder ein guter Funktionsniveau mit Aktivitäten etc. bestehen, um die Behandlung beenden zu können.

Die Depression ist keine psychische Erkrankung in ihrer alten, abstrakten, oft als „eingebildet“ verstandenen, herabsetzenden, flüchtigen Form, sondern eine medizinisch hochkomplexe Erkrankung des Gehirns und des Körpers mit mehreren lebensbedrohlichen Folgen. Da das Gehirn, genauer die psychischen Prozesse rund um die Beziehung zu anderen Menschen der zentrale Fokus ist, stellt die Therapie durch ärztliche Psychotherapeuten sowie psychologische Psychotherapeuten den Hauptansatzpunkt dar.

Sollte die Behandlung gerade dieser komplexen Erkrankung wirklich dequalifiziert werden und aus der medizinischen Versorgung ausgegliedert werden?

Natürlich nicht! Die Erde ist keine Scheibe und die Depression ist kein psychologisches „Hat-man-mal“. Schließlich verstehen wir durch die Forschung der Psychoneuroimmunologie immer besser, dass Erkrankungen wie die Depression sich nicht nur auf psychischer oder körperlicher Ebene verstehen und behandeln lassen. Psychosomatische Konzepte sind hier unerlässlich.

Ärzte aller Fachgebiete, vor allem Hausärzte und natürlich alle Medizinstudenten sollte die Depression in einer Reihe mit Asthma, Bluthochdruck, Diabetes und Herzklappenfehlern kennenlernen und abspeichern. Eine schnelle Erkennung und Behandlung in allen ärztlichen Gebieten sollte das Ziel sein – und gesundheitspolitisch gefördert werden.

Und Sie sollten wissen: Falls Sie oder einer Ihrer Liebsten mal von solch einer Erkrankung betroffen ist, sollte man mit dem Hausarzt sprechen und / oder Fachärzte aufsuchen und nicht dem Irrtum erliegen, dass das nur ein kleiner Schnupfen der Seele sei. Eine depressiv erkrankter Mensch gehört in professionelle Hände wie ein körperlich Erkrankter auch – in die des Arztes und Psychotherapeuten!

 

Quelle: James Strain, MD, auf einem Vortrag im NYPSI.org am 04. Oktober 2017

Titelbild: By BruceBlaus. Blausen.com staff (2014). „Medical gallery of Blausen Medical 2014„. WikiJournal of Medicine 1 (2). DOI:10.15347/wjm/2014.010. ISSN 2002-4436. – Own work, CC BY 3.0, Link

Auch erschienen auf DEIKS.de

Lacast, der Lacan-Podcast: darauf haben Psychoanalyse-Fans gewartet, ohne es zu wissen

Podcasts statt Therapiesitzung

Manchmal ist kein Patient in meinem Behandlungszimmer und ich bin alleine. Wenn ich Zettel sortiere, die Abrechnung mache, E-Mails schreibe oder Blumen gieße. Dabei höre ich sehr gerne nichts, manchmal aber auch Podcasts. Soweit nichts Ungewöhnliches.

Heute stolperte ich, das war denke ich bei Facebook, über den Podcast „Lacast – der Lacan-Podcast„. Mir war schnell klar, dass es dabei um Jaques Lacan, den wirklich inspirierenden französischen Arzt und Psychoanalytiker (1901-1981), gehen würde, der – sagen wir mal – Sigmund Freud in der ein oder anderen Sache neu interpretierte. Ich drückte Play und schielte nebenbei schonmal ins Impressum. Da fiel mir der Taschenrechner aus der einen und die Gießkanne aus der anderen Hand: die bildundtonfabrik als Aufnahmeort und der Name Florentin Will schossen mir ins Auge, der mir aus dem Ensemble des Neo Magazin Royal bekannt ist.

Würde jetzt meine private humoristische Präferenz mit meinem professionellen Interesse für Psychoanalyse verschmelzen?

Ich begann die erste Folge zu hören, leitete das Telefon auf’s Sekretariat um und war wirklich hochgespannt. Der Erziehungswissenschaftler und Lacan-Kenner Rolf Nemitz vom Blog Lacan-entziffern und Florentin Will ergänzen sich ganz wunderbar. Im Mittelpunkt steht der anwesende, abwesende Dritte: Jaques Lacan, dessen theoretische Konstrukte gründlich ausgebreitet werden. Nemitz ist lediglich eine Art Trägersubstanz der Lacanschen Materie, der allerdings hier und da (mit penibler Markierung) seine eigene Geschmacksrichtung beimengt.  Die ersten 3 Folgen waren sehr interessant, unterhaltsam und irgendwie beruhigend und entschleunigend. Wer sich für Psychoanalyse, Sprache und (vermeintlich) anachronistisches Denken interessiert, findet hier den richtigen Podcast. Für mich eine der besten Produktionen, die ich seit langem entdeckt habe… sagen wir seit der Gründung des PsychCast Anfang 2015.

Ich habe auf diesen Podcast gewartet, ohne es zu wissen. Unbewusst.

Was wir von Lacan lernen werden, wenn wir es nur zulassen

Rolf Nemitz erklärt uns, was Lacan mit dem Imaginären, dem Symbolischen und dem Realen meint, dass das „Bewusstsein“ nur Sinn ergibt, wenn es zwangsläufig ein „Unbewusstes“ gibt, was der Signifikant ist und dass das „Begehren“, wie Lacan es meint, nie befriedigt werden kann. Das erläutert Nemitz ganz eingängig mithilfe seiner eigenen Büchersucht während Florentin Will sich seelenruhig und wieder und wieder um einen Übertrag ins Alltagsvokabular bemüht. Was ihm meistens fast, aber niemals so ganz gelingt (gelingen darf)… Der gesamte Dialog ist in seiner Ernsthaftigkeit streckenweise auch sehr witzig und durchgehend unterhaltsam.

Prädikat: highly recommended 

Hier entlang geht’s z. B. zur Folge 2 über „Das Begehren“

Hier noch ein Deutschlandfunk-Essay über Lacan als Text

Beitragsbild:  Blatterhin (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Das Plasberg-oder-Luftschloss-Quiz: Welche Medizin-Talkshows gab es wirklich?

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat einen Bildungsauftrag. Überprüfe in einem kleinen Quiz, ob Du eine Ahnung davon hast, mit welchen medizinischen Themen es diesen erfüllt.

Medizin-Talkshows

Talkshows mit medizinischen Themen sind im deutschen Fernsehen keine Rarität. Das wundert nicht, denn der Informationsbedarf der Menschen zum Thema ist groß. Das medizinische Wissen verdoppelt sich alle 5 Jahre, was bereits für medizinisches Fachpersonal eine riesige Herausforderung darstellt. Doch wie schwer ist es für einen medizinischen Laien, da noch durchzublicken? Nicht einfacher macht es der Umstand, dass es bei Gesundheitsthemen um das Wichtigste geht, was eine Mensch hat: sein Leben, seine körperliche Unversehrtheit, seine Chancen auf Teilhabe und Genuss im Leben. Da entstehen natürlich schnell Ängste und Beunruhigung. Nichtsdestotrotz gibt es Themen, über die öffentlich gesprochen werden sollte. Die Talkshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens übernehmen dies, haben sie doch auch einen Bildungsauftrag.

Quiz: Plasberg oder Luftschloss?

Jetzt kommt das Quiz! Nachstehend werden 8 Titel deutscher Talkshows präsentiert. Finde jene 4 von Ihnen, die es wirklich gegeben hat, die anderen 4 sind frei erfunden:


(1)
Diagnose chronischer Schmerz – Ärztin, Psychotherapeut, Sportmediziner und Krankengymnast im Gespräch: was sind wirksame Therapien ohne Operation?

Maischberger, ARD, 2016


(2)
Katastrophe Krankenhaus: Unnötige Operationen, überlastetes Personal, gefährliche Krankenhaus-keime (…)

Nachtcafé, SWR, 2016


(3)
Diagnose Gier: werden wir beim Arzt abgezockt?

hart aber fair, ARD, 2016


(4)
Diagnose Beziehung: was die Arzt-Patient-Beziehung schwierig macht – und wie wir sie verbessern können!

hart aber fair, ARD, 2017


(5)
Medizin und Bezahlung: wie wollen wir eine immer besser und teurer werdende Medizin finanzieren?

Nachtcafé, SWR, 2016


(6)
Der verunsicherte Patient: Warum misstrauen wir Ärzten?

Maischberger, ARD, 2016


(7)
Gefahr Krankenhaus – Wenig Personal, aber reichlich Keime?

hart aber fair, ARD, 2017


(8)
Sicherheit Krankenhaus – exzellentes Personal und Hightech-Medizin: wissen wir das noch zu schätzen?

Maischberger, ARD, 2017


Welche Talkshows gab es wirklich?

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Nun wünsche ich viel Spaß und Erfolg beim Raten – zugegeben, es ist kein ganz einfaches Quiz!

Die Auflösung findest Du hier.

Beitragsbild: Daniela Baack  / pixelio.de

PsychCast Folge 43: Die Kollusion von Arzt und Patient bei psychosomatischen Beschwerden

Psychosomatische Beschwerden: Warum Patienten zu Praxis-Hoppern werden und Ärzte manchmal daran verzweifeln, können Erkenntnisse aus der Paartherapie erklären.

 

Im dreiundvierzigsten PsychCast sprechen wir über die Paar-Kollusion, wie sie der vielleicht weltbeste Paartherapeut Jürg Willi beschrieben hat. Dieses Konzept hat nichts mit der Kollision (mit i statt u) im Straßenverkehr zu tun!

Es geht dabei um problematische Rollenverteilungen in Beziehungen, die unbewusst erfolgen und die mit den jeweiligen Prägungen und Vorerfahrungen der Beteiligten zu tun haben.

Die Theorie besagt, dass sich bereits vor der Beziehung bestehende Persönlichkeitsmerkmale im Laufe einer Partnerschaft häufig zu einer festen Rollenverteilung verhärten und eine solche Konstellation mit der Zeit völlig starr werden kann: Der starke Part wird immer stärker, der Schwache und Anlehnungsbedürftige immer passiver und hilfloser. So ergänzen sich zunächst einmal ein Bewunderter und ein Bewunderer, ein Hilfloser und ein Helfer oder ein Mächtiger und ein Ohnmächtiger. Willi sagt weiter, dass man in dem anderen immer auch einen abgespaltenen Teil seiner Selbst sucht.

Diese verteilten Rollen führen dann jedoch dazu, dass eben jener Teil der eigenen Persönlichkeit immer weniger wahrgenommen und zunehmend verleugnet wird. Das führt über kurz oder lang zu Unzufriedenheit beider Beziehungspartner.

Die psychosomatische Arzt-Patient-Kollusion

In der Podcast-Folge sprechen wir auch darüber, wie Jürg Willi diese Erkenntnisse auf die Arzt-Patient-Beziehung bezieht, insbesondere beim Vorliegen psychosomatischer Beschwerden, er nennt dies „die psychosomatische Arzt-Patient-Kollusion“:

Durch die psychosomatische Symptombildung normalisiert sich häufig das Sozialverhalten betroffener Patienten, beschreibt der Autor. Dies passiert, da es durch die Symptome plötzlich besser gelingt, andere Menschen an sich zu binden und unbewusst dafür zu sorgen, gesehen und in einer Notsituation wahrgenommen zu werden. Da die Krankheit im Vordergrund steht, treten die zwischenmenschlichen Schwierigkeiten erst einmal in den Hintergrund – das entlastet! In ihren offensichtlichen Interessen und Phantasien sind die Patienten somatisch fixiert und können alles Mögliche über ihre Körpervorgänge beschreiben, was sie zunächst zu einem idealen Patienten mache. Sie sind autoritätsgläubig und unterziehen sich bereitwillig vielerlei Untersuchungen. Sie idealisieren und mystifizieren sie den Arzt.

Selber blieben sie jedoch passiv und neigten dazu, die Verantwortung an den mächtig erlebten Mediziner zu delegieren. Dieser genieße seine starke Rolle und sehe davon ab, auf die psychische Seite, die bei psychosomatischen Beschwerden natürlich eine große Rolle spielt, einzugehen. Er nimmt so das Rollenangebot des „Halbgotts in Weiß“ seines Patienten an, beide verleugnen zusammen die Bedeutung der seelischen Seite der gesamten Symptomatik.

Wie kann es also weitergehen?

Weitergehen kann es auf zweierlei Weisen: der Arzt entdeckt einen Bagatell-Befund und hat einen Grund ein „unnötiges“ Medikament zu verordnen oder eine OP zu veranlassen – dann wird die gemeinsame Abwehr fortgesetzt, die Kollusion besteht fort. Oder der Arzt beginnt den Patienten zur Mitarbeit aufzufordern: „Sie müssen aktiv werden, wenn Sie gesünder sein möchten“ und der Patient ist enttäuscht von seinem Ideal-Arzt, fühlt sich gekränkt und wendet sich an den nächsten Super-Doc.

Zusammengefasst ist die volle Ausprägung einer psychosomatischen Arzt-Patient-Kollusion bei unerkannten seelischen Ursachen:

Hört doch mal rein, zur Podcast-Folge geht es hier entlang. Oder direkt hier anhören:

Hier kann man sich das Buch näher ansehen, über das wir sprechen: Jürg Willi – Die Zweierbeziehung: Das unbewusste Zusammenspiel von Partnern als Kollusion

Dank unserer Hörerin S. noch der Hinweis: das Zitat “Der Mensch wird am Du zum Ich” ist nicht von Jürg Willi sondern von Martin Buber. Jürg Willi hat es im Jahr 2012 in einem Interview zu seinem Lieblingszitat erklärt – Link dahin folgt noch. Das wurde in der Sendung falsch rübergebracht und soll hiermit korrigiert werden.

Beitragsbild: Stephanie Hofschlaeger  / pixelio.de